Roman Töppel
Buchbesprechung
Veröffentlicht am: 
25. September 2023
DOI: 
https://doi.org/10.15500/akm.25.09.2023

Das öffentliche Interesse an Panzern des Zweiten Weltkriegs ist enorm. Das zeigt sich nicht nur an dem mittlerweile unüberschaubaren Angebot an Büchern, Zeitschriften und Broschüren, sondern auch an den Aufrufzahlen entsprechender Video-Dokumentationen im Internet. Die meisten dieser Veröffentlichungen richten sich an ein Massenpublikum und verzichten auf Quellennachweise und wissenschaftliche Anmerkungsapparate. Anders hingegen das neue Buch von Peter Samsonov, einem russisch-kanadischen Experten für die sowjetischen Panzer des Zweiten Weltkrieges.

Samsonov führt in seiner Arbeit nicht nur zahlreiche Dokumente aus russischen Archiven an, sondern belegt seine Aussagen auch mit Fußnoten. Dies dürfte schon der Wahl seines Verlegers geschuldet sein. Die „Military History Group“, die von den Betreibern der beiden erfolgreichen YouTube-Kanäle „Military History Visualized“ und „Military Aviation History“ gegründet wurde, wirbt schließlich mit ihrer wissenschaftlich geschulten Kompetenz im Umgang mit historischen Sachverhalten.

Anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, handelt die Studie nicht nur von dem schweren sowjetischen Panzer IS-2, der 1944 erstmals an der deutsch-sowjetischen Front im Kampf eingesetzt wurde. Vielmehr liefert Samsonov einen kurzen, aber fundierten und interessanten Abriss zur Entwicklung der schweren sowjetischen Panzer von den 1920er-Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Wie der Autor darlegt, war die sowjetische Industrie zunächst nicht in der Lage, eigene Panzerkonzepte zu entwickeln. Daher holte sie sich Hilfe aus dem Ausland und orientierte sich beim Panzerbau anfangs an französischen, britischen und amerikanischen Modellen. Den leistungsfähigen Panzerabwehrkanonen der potenziellen Gegner versuchten die sowjetischen Entwickler mit immer stärker gepanzerten schweren Kampfwagen zu begegnen. Doch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs konnte die heimische Industrie nicht genügend dicke Panzerplatten liefern, um den Forderungen der militärischen Führung gerecht zu werden.

Als es schließlich gelang, eine ausreichende Zahl starker Panzerungen zu produzieren, stellte sich rasch heraus, dass die Fahrzeuge durch ihr hohes Gewicht zu schwerfällig wurden. Die Rote Armee forderte daher einen Kampfwagen, der so gut gepanzert sein sollte wie der schwere KW-1, aber lediglich so viel wog wie der berühmte mittlere Standard-Panzer T-34. Im Gegensatz zu dem 28 Tonnen schweren T-34 brachte der KW-1 aufgrund seiner starken Panzerung 48 Tonnen auf die Waage.

Während die sowjetischen Konstrukteure noch versuchten, sich der geforderten Quadratur des Kreises durch Einsparungen beim Panzerschutz anzunähern, zwang das Auftreten des schweren deutschen Panzerkampfwagens VI „Tiger“ zum Umdenken. Schon im Januar 1943 konnte die Rote Armee erstmals einen intakten „Tiger“ erbeuten. Bei Beschussversuchen zeigte sich die geringe Wirksamkeit der sowjetischen Panzer- und Panzerabwehrkanonen gegen den „Tiger“. Die Hauptforderung lautete daher, ein Geschütz in die sowjetischen Panzer einzubauen, das die schweren deutschen Kampfwagen frontal bekämpfen konnte.

Doch kaum schien dieses Problem mit der Entwicklung der 85-mm-Panzerkanone gelöst, traten im Sommer 1943 zwei neue schwere deutsche Panzerfahrzeuge auf, gegen die selbst die 85-mm-Kanone nicht ausreichte. Es handelte sich um den Panzerkampfwagen V „Panther“ und das Sturmgeschütz „Ferdinand“. Die sowjetische Antwort auf diese Fahrzeuge war ein neuer schwerer Panzer, der mit einer 122-mm-Kanone bewaffnet war und den Namen „Iosif Stalin 2“ bzw. IS-2 erhielt.

Nach der Schilderung der Entwicklungsgeschichte der schweren sowjetischen Panzer widmet Samsonov etwa zwei Drittel seines Buchs der Konstruktion des IS-2 bis zur Serienreife und seiner Weiterentwicklung, nachdem die Fertigung angelaufen war. Er zeigt auf, vor welche technischen Schwierigkeiten sich die Konstrukteure gestellt sahen und wie sie den Panzer weiter verbesserten, um der Roten Armee ein Kampffahrzeug zu liefern, das es auf dem Schlachtfeld mit allen deutschen Modellen aufnehmen konnte.

Wenngleich manche Probleme, allen voran die relativ geringe Feuergeschwindigkeit der Kanone, bis zum Schluss nicht befriedigend gelöst werden konnten, so erhielten die sowjetischen Panzertruppen mit dem IS-2 dennoch einen schweren Panzer, der als gelungene Konstruktion angesehen werden kann. Seine starke Panzerung und die enorme Zerstörungskraft seiner Kanone flößten den Deutschen großen Respekt ein.

Respekt verdient auch Peter Samsonov für seine Studie, die die Geschichte der schweren Panzer der Roten Armee übersichtlich, stringent und faktenreich zusammenfasst und einen interessanten Einblick gewährt, mit welchen Schwierigkeiten die sowjetischen Konstrukteure zu kämpfen hatten. Die enthaltenen Fotografien veranschaulichen die beschriebenen technischen Merkmale und lockern den Text auf. Tabellen mit den Produktionszahlen der einzelnen Herstellerwerke sowie den taktisch-technischen Daten der Panzer, ihrer Kanonen und deren Munition runden die Arbeit ab.

Peter Samsonov, IS-2: Development, Design and Production of Stalin’s War Hammer, Military History Group, London 2022, 133 Seiten, 18,99 €, ISBN 978-1-915453-10-5.

 

Dieser Beitrag wurde redaktionell betreut durch Christian Th. Müller.

Zitierempfehlung: Roman Töppel, Rezension zu: Peter Samsonov, IS-2: Development, Design and Production of Stalin’s War Hammer, in: Portal Militärgeschichte, 25. September 2023, DOI: https://doi.org/10.15500/akm.25.0.92023 (Bitte fügen Sie in Klammern das Datum des letzten Aufrufs dieser Seite hinzu).

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